Montag, 20. Oktober 2008

Kogalym



Kogalym, Erdölstadt, 60 000 Einwohner. Die Stadt ist neu, wurde vor nicht einmal 30 Jahren gegründet. Offiziell sind hier rund 200 Ureinwohner, Chanten und Nenzen polizeilich gemeldet. Das heißt, dass sie hier Wohnungen haben, die sie sich von den Entschädigungen der Erdölfirmen gekauft haben, die auf ihren Rentierweiden nach Öl bohren. Es gibt jeglichen Komfort hier. Geheizt wird so heftig, dass man es bei -10 Grad draußen nur mit geöffnetem Fenster aushalten kann. An jeder Ecke Geschäfte, die rund um die Uhr geöffnet haben. Alle möglichen Bars, Diskotheken und Restaurants, um sich die Tage und Nächte zu vertreiben, die zwischen den Schichten auf den Erdölfeldern liegen. Dort arbeiten die Leute zwei oder vier Wochen und erholen sich dann ebenso lange in der Stadt. Zwei Drittel der Bewohner ziehen über kurz oder lang doch wieder von hier fort. Der Rest würde wohl auch gerne, hat es aber doch nicht geschafft, sich auf der 'Bolshaja Zemlja', dem Kontinent (wörtlich 'der großen Erde') eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen. Die einzigen, die hier bleiben wollen, sind die, deren Vorfahren hier in der Taiga begraben liegen. Für die jungen Chanten und Nenzen ist die Stadt der Ort, wo das Leben spannend ist. Aber man muss Geld, das heißt einen guten Job haben, um die Konsummöglichkeiten nutzen zu können. Wer das nicht hat, hängt einfach ab, vor allem mit Alkohol, Rauchen und Musik aus dem Handy in den zugigen Aufgängen der Neubaublocks.





Eine Freundin sitzt für vier Jahre im Gefängnis in Surgut, weil sie mit einem Messer einen Mann abgestochen hat, der das allerdings überlebte. Sie war im Frühjahr noch auf freiem Fuß, obwohl der Prozess schon gelaufen war. Hat sich dann eine Weile im Wald versteckt, aber schließlich ist sie wegen einer Behördensache unvorsichtigerweise in die Stadt gefahren und wurde dann sofort verhaftet. Der Strafvollzug ist einigermaßen locker, erzählte mir eine Freundin, die regelmäßig mit ihr telefoniert. Sie wohnt in einer Art Wohnheim mit Bewachung, muss arbeiten und kann Besuch bekommen. Eigentlich ist jede Art von Telefon verboten, aber alle dort haben Handys, die sie aber verstecken müssen. Es war ihr peinlich, dass ich erfahren habe, dass sie im Gefängnis sitzt, aber die Freundin, die mit ihr telefoniert, hat ihr erzählt, dass sich das sowieso nicht verheimlichen lässt. Ich hoffe, ich kann ihr ein paar Fotos, die ich von ihr gemacht habe, als Erinnerung zukommen lassen. Weiß noch nicht so recht, wen ich nach der Postadresse fragen soll. Ihre Freundin gab sie mir nicht.

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