Mittwoch, 1. Februar 2012

Kola-Halbinsel 26.1. - 30.1.2012

Von Rovaniemi, Finnisch-Lapplands Hauptstadt am Polarkreis nehme ich den Bus nach Russland auf die Kola-Halbinsel. Mein Ziel ist Apatity, wo ich Mascha Nachschina, eine alte Bekannte aus Zeiten am Sibirienzentrum des Max-Planck Instituts in Halle/Saale treffe, die von hier stammt. Dieser Teil der Kola-Halbinsel war während der Stalin-Ära ein Zentrum der Industrialisierung.


Am Südrand der Chibiny Berge liegen die Bergbaustädte Kirovsk und Apatity, die Ausgangsstoffe für die Düngemittelherstellung liefern. Die Umweltverschmutzung habe sich schon sehr verbessert, erzählen die Bewohner, aber im Winter ist das schwer nachzuprüfen, weil herrlicher weißer Schnee alles zudeckt. Ab und zu zieht jedoch ein strenger Geruch in die Nase, der wahrscheinlich aus den Aufbereitungsanlagen für die Rohstoffe kommt.


Das sind also die ersten Eindrücke von der Kola-Halbinsel, wo meine Kollegin Nina Messchtyb im Rahmen unseres Projekts Feldforschung machen wird.
Mascha fragt eine Freund mit Auto, der uns liebenswürdigerweise zu einem Ausflug in die Gegend um die Chibiny Berge mitnimmt.


Der Höhepunkt war aber ein Ausflug mit Motorschlitten und einem Führer mitten in die Berge hinein. Das Wetter war sonnig, wenn auch ziemlich kalt (zwischen -20 und -25 C°) und der Tag ist hier nördlich des Polarkreises immer noch sechs Stunden kurz.


Hier Mascha gut verpackt für die Kälte.
Ich konnte auch testen, ob meine Sachen der Kälte standhalten. Bisher habe ich nicht bereut auf high-tech Kleidung weitgehend verzichtet zu haben. Mal sehen, wie sich meine Sámi Rentierfell-Schuhe aus Finnland machen werden. Der erste Test ist jedenfalls bestanden!


Mascha und ich folgten dem Vorschlag eines Bekannten, den wir einen Tag vorher in der Kneipe “Liter” in Apatity kennengelernt haben, und besuchten eine örtliche Souvenirproduktion in einem dunklen Keller in einem der typisch Sowjetischen Betonblöcke aus denen die Stadt hauptsächlich besteht. Der wachsende Tourismussektor fordert vor allem lustig aussehende Kühlschrankmagneten - also produzieren die Frauen, die wir dort trafen, vor allem lachende Katzen und Rentiere auf Treibholz gemalt.


Auch wenn es hier Internet schon recht lange gibt, ist das Gefühl der Unmittelbarkeit beim Video-Chat immer noch ungewohnt. Merkwürdigerweise verstärkt sich sogar das Gefühl der Fremdheit und geographischen Distanz der Orte, wenn ich von Kirovsk aus nach Hause skype.


Ich verlasse Kirovs und Apatity und begebe mich auf die große Nord-Süd Trasse, die die Stadt Murmansk im Norden der Kola-Halbinsel mit Russlands nördlicher zweiter Hauptstadt St. Petersburg verbindet, die im Volksmund hier oft einfach Piter heißt.

Freitag, 15. Mai 2009

Rückfahrt über das Erdölfeld


Der Schnee ist jetzt fast getaut und man sieht, dass auf dem Erdölfeld „Povkh“, dort wo früher einmal Wald war, heute Sandwüste ist. Der Schnee hatte alles so schön zugedeckt.



Ich habe hier aber die Chance, mich von meinem chantischen Freund Vladik Ketschimov zu verabschieden, der vom 11. Mai bis 11. Juni hier seine Monatsschicht abarbeitet (ohne freie Wochenenden, dafür dann den nächsten Monat frei). Koltschu ist mit ihm befreundet und kennt den Weg zur „Salzauflösungszeche“, wo Vladik arbeitet.


Rentiergeburt

Jurij und ich stehen jeden Morgen noch vor den Jungs auf, um die Rentierherde und die Mutterkühe zu suchen, die sich jetzt von der Herde trennen, um Junge zu gebären. Antons und Koltschus Mutter ist in der Stadt Nizhnevartovsk und hat dort einen Sohn zur Welt gebracht. Wir vier Männer sind mit dem Lehrerehepaar allein auf dem Wohnplatz.


In Abwesenheit seiner Frau macht sich Jurij daran Brot zu backen, was ihm auch ziemlich gut gelingt.





Wir finden die Rentierherde und treiben sie vor uns her. Ich laufe zu Fuß oder sitze auf dem angehängten Schlitten. Jurij hat mich hauptsächliche für den Fall mitgenommen, dass er wieder ins Eis einbricht und natürlich auch, damit ich etwas über die Rentierzucht lerne und schöne Aufnahmen mache.



Wir finden auch eine Rentierkuh, die gerade geworfen hat.



Jurij will das Junge gleich mit Ohrmarken versehen (jeder Rentierzüchter schneidet die Ohren der Rentiere auf seine Weise, um sie als Eigentum zu markieren). Die Mutter versucht, ihr Junges zu verteidigen, muss aber klein beigeben.







Das Rentierkälbchen hat die schmerzhafte Operation schnell vergessen und läuft zu seiner Mutter.





Wir finden noch ein weiteres Rentierkälbchen, das seine Mutter verlassen hat. Hoffentlich wird sie zurückkehren, sonst ist das Junge verloren.


Der Multimediastützpunkt

Die letzten Tage vor meiner Abreise verbringe ich wieder auf dem Wohnplatz von Jurij Vella. Eines Abends tauchen mit einem Jeep zwei junge Männer von der Universität aus Chanty-Mansijsk auf und bringen Technik für einen Multimediastützpunkt, ein UNESCO-Projekt, um die Indigenen mit dem Internet zu verbinden.


Sie bringen Sattelitenschüsseln an, eine für den Fernsehempfang, eine fürs Internet. Jurijs Enkel Koltschu und Anton bekommen eine Videokamera, einen digitalen Fotoapparat und ein Diktiergerät. Jurij soll in den nächsten Tagen einen neuen Laptop bekommen.



Leider musste für den Sattelitenempfang eine große Schneise in den Wald geschlagen werden, der den Wohnplatz im Winter vor den eisigen Westwinden schützt. Die Computerspezialisten sind aber nur für eine Nacht gekommen, es ist keine Zeit über Alternativen nachzudenken, da sie am nächsten Morgen bereits wieder abreisen. Koltschu stellt sich mit dem Fotoapparat ziemlich geschickt an. Hier eine Auswahl seiner Aufnahmen vom Wohnplatz.



Sein Bruder Anton probiert die Videokamera aus.



Der Kater Katafej hat bereits lokale Berühmtheit erlangt, seitdem er in einem Werbefilm des Regionalfernsehens aufgetreten ist.



Es wird langsam wärmer und auch die Waldameisen kriechen aus ihrem Bau. Es gibt hier mindestens sechs verschiedene Arten von ihnen.







Koltschu probiert ausgiebig mit der Kamera herum und so habe ich die Chance auch ein paar Mal portraitiert zu werden.



Das Eis auf den Seen taut und die Motorschlitten können einbrechen. Juri musste ein paar Kilometer zu Fuß nach Hause laufen, um Hilfe zu holen, weil seine Enkel wieder mal die Handys ausgeschaltet hatten oder Spiele auf ihnen spielten. Es gelingt uns aber, den „Buran“ herauszuziehen und zu starten. Passiert etwas Ungewöhnliches, so ist das willkommener Anlass fotografisch festgehalten zu werden. Die Jungs sollen für die Internetseite der Universität eigentlich den Alltag auf dem Rentierhalterwohnplatz dokumentieren, sie wissen aber nicht, was daran interessant sein könnte.



Wir transportieren einen Teil der Ausrüstung zum Frühjahrswohnplatz. Der Fernseher ist in eine Bettdecke eingewickelt, den Videorekorder halte ich mit den Händen fest.



Ich mache ein Foto von den beiden Jungs mit ihren Lehrern. Sie fahren in den nächsten Tagen ins Dorf, um dort ihre Abschlussexamen zu absolvieren. Anton (rechts) beendet die 9. Klasse, Koltschu wird die 11. Klasse abschließen und dann zum Wehrdienst einrücken.

Mittwoch, 13. Mai 2009

Haareschneiden bei Kechimovs

Die ständige Stromversorgung vom Erdölfeld ermöglicht den Einsatz von elektrischen Schermaschinen.


Vladik schneidet Zhenja die Haare. Zhenja ist ein Russe aus dem Dorf, der für Kost und Logis auf dem Wohnplatz von Kechimovs aushilft. Solche ehemaligen Arbeitslosen gibt es jetzt auf vielen Rentierhalterwohnplätzen, weil staatliche Sozialhilfe quasi nicht existiert.



Tolik, der Freund von Vladik aus Kogalym schneidet mir die Haare. Ich bin froh, dass die Wolle zum Beginn des Frühlings vom Kopf herunter ist.



Die Jäger haben die erste Flugente von der Jagd mitgebracht. Sie reicht gerade dafür, dass jeder einen kleinen Bissen Entenfleisch und einen Teller Suppe bekommt.

Montag, 4. Mai 2009

Ausgehen in Kogalym

Vom Wohnplatz im Wald geht es in die Erdölstadt Kogalym. Vladik Kechimov hat hier seine Clique und ich schau mir an, wie die Jugend die Abende in der Stadt verbringt.


Haupttreffpunkt aller Jugendlichen sind die Hausflure der Plattenbauten. Noch ist es zu kalt, in der Stadt umherzuziehen, also steht man im Hausflur, telefoniert, quatscht und trinkt Bier.



Die Gespräche der Jungs kreisen um Mädchen, Videoclips auf den Handys, Alkohol und Drogen, die Eigenschaften von Ethnien und Subkulturen, Militärdienst und die Zukunft. Wird es in vier Jahren den Weltuntergang geben und soll man sich bis dahin gepflegt besaufen, oder soll man heiraten, um nach der harten Arbeit das fertige Essen und das gemachte Ehebett serviert zu bekommen? Die Gespräche werden mit steigendem Alkoholpegel absurder und ich bin froh, gegen drei nach Hause zu kommen ohne Prügelei oder weitere Kontakte mit der Miliz.

Schützenfest in Russkinskaja und Winteraustreibung in Kogalym

Ich dachte eigentlich, die Zeit der Festivitäten ist vorbei, aber Kechimovs erzählen mir, dass es am Wochenende in Kogalym ein Volksfest und im Dorf Russkinskaja Tontaubenschießen gibt. So bekomme ich die Gelegenheit andere Volksbelustigungen mit den „chantischen“ Festen vergleichen zu können.





In Kogalym wird symbolisch der Winter vebrannt und die Frauen der Erdölarbeiter nutzen das sonnige Frühlingswetter, um die Kinderwagen auszufahren während die Männer das erste Bier im Freien genießen.

Der Winter meldet sich aber urplötzlich mit Schneetreiben zurück und das Fest ist noch vor dem offiziellen Ende vorbei.



Am nächsten Tag fahren wir mit dem Freund der Familie, Tolik dem Moldawier, der einige Rentiere in Kechimovs Herde besitzt nach Russkinskaja, wo die Männer ihre Männlichkeit mit Jagdwaffen beweisen können.

Ich glaube Valentina hätte auch gern teilgenommen, aber sie bekommt nur auf dem Foto die Waffe in die Hand gedrückt.



Ich bin inzwischen der Familienfotograf. Nachdem auch hier mein Blog verfolgt wird, werde ich regelrecht beauftragt, die Familienfotos zu veröffentlichen. Hier sieht man Tolik in der Mitte, neben ihm sein Sohn Vanja, Vladik Kechimov und ein Cousin von ihm und am Rand seine Mutter Valentina und zwei Schulfreundinnen von ihr aus Russkinskaja.