Donnerstag, 22. Januar 2009

Zurück in Halle/Saale

Jetzt bin ich wieder zurück in Halle, werte meine Tagebücher aus und versuche das Erlebte in die Struktur einer wissenschaftlichen Arbeit zu überführen. Das bedeutet doppelte Übersetzungsarbeit: einmal die Welt meiner Gastgeber in meine Welt und dann meine Welt in die Welt der Wissenschaft.

Die letzten Tage habe ich in Westsibirien wieder bei der Familie von Juri Vella verbracht. Wir haben noch ein Rentier geschlachtet und ich habe den Treiber für den Scanner installiert, der nach dem letzten Totalabsturz des Computers nicht mehr funktionierte.




Welche Themen werde ich in meiner Doktorarbeit behandeln? Es wird vor allem darum gehen, wie die Rentierzüchter sich zwischen der Welt der Stadt und dem Wald, zwischen Erdölfeldern und Rentierweiden, zwischen Diskotheken und Opferplätzen bewegen. Dabei wird es weniger um diese Art von Gegensatzpaaren gehen, sondern um die Vielfalt der Praktiken und Räume, in denen sich das Leben als Ganzheit abspielt. Die chantischen Rentierzüchter haben dafür eine über die Jahrhunderte der Kolonisierung, Christianisierung, Sovjetisierung und nun Kommerzialisierung entwickelte Strategie der Konflikte vermeidenden Abgrenzung entwickelt. Auch innerhalb der chantischen Gemeinschaften gibt es zahlreiche Formen, voreinander Distanz zu wahren und doch miteinander zusammenzuleben. Zwischen Frauen und Männern, zwischen den Generationen, zwischen verschiedenen Clans und Familien und zwischen Menschen, Göttern und Geistern.

Viel Zeit kann ich mir mit der Auswertung jetzt nicht nehmen, denn im März werde ich bereits wieder nach Westsibirien aufbrechen, um die Rentierzüchterfeste zu dokumentieren, bei denen die Chanten ihre Kultur der Stadtbevölkerung präsentieren.

Ende Februar bekomme ich noch Besuch von Olga Kornienko, einer Dokumentarfilmerin aus Surgut, die Filme über die Chanten nach Deutschland bringen wird. Sie wird sie am 28. Februar und 1. März in Stuttgart anlässlich der Schamanenausstellung im Lindenmuseum zeigen. Weitere Filmvorführungen werden am 22. Februar im Grassimuseum Leipzig, am 3. März im Kino Krokodil in Berlin und am 7. März in Neustrelitz stattfinden. Ihr seid alle herzlich dazu eingeladen.
Fall jemand noch eine Idee für ein Filmscreening hat: ich bin unter der Emailadresse

dudeck(at)eth.mpg.de erreichbar.

Euer Stephan Dudeck

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